Alessa Neuner

A Life dedicated to Horses

8 Jahre in 8 Bildern – eine Liebesgeschichte

- 2007 -

– 2007 –

Das Jahr 2007: Mein kleiner schwarzer Engel, es ist tatsächlich wahr, dass ich in diesem Jahr von deiner Existenz noch keinen Schimmer hatte. Als kleines schwarzes Etwas bist du auf die Welt geschlüpft und ich bin mir sicher, du bist deiner Mami vom ersten Tag an auf die Nerven gegangen und hast ihre unerschöpfliche Geduld aufs äußerste strapaziert.

Und auch wenn ich ein wenig traurig darüber bin, deine ersten Schritte in die Welt noch nicht begleitet zu haben, so weiß ich eines: in meinem Herzen warst du schon immer. Unzählige Bilder beweisen das – Bilder von einer Kinderhand gezeichnet, die ihr Herzenspferd schon lange vor seiner Geburt kannte. Als schwarzes Wunderpferd bist du über meine Zeichenblätter getanzt. Wild, schnaubend und mit einer Ausstrahlung, dass es einem den Atem raubte (nunja, wenn man von den etwas krummen Beinen und den schiefen Ohren absah, die eine Kinderhand nunmal so hervorbringen…)

Und genau so tratest du im folgenden Jahr in mein Leben: als schwarzer Wirbelwind, tanzend, schnaubend und bockend. Ich habe mich von der ersten Sekunde an unsterblich in dich verliebt!

- 2008 -

– 2008 –

Das Jahr 2008: Nachdem ich lange nach einer 3-4-jährigen Stute suchte, stand ich irgendwann plötzlich bei dir in der Box und war fasziniert und völlig aus dem Häuschen. Ich wusste, hier steht mein Seelenpferd vor mir! In der Halle wurdest du uns präsentiert und ich weiß noch, wie meine Eltern und ich uns völlig entzückt gegenseitig zuflüsterten, was für ein wunderschönes Pferd das doch nur sei!
Hätten meine Eltern gewusst, wie du mich kurz danach beim ersten Kennenlernen in der Box behandelt hast – ich glaube, sie hätten dich im Leben nicht gekauft! Aber deinen dezenten Hang zum völlig übertriebenen Selbstbewusstsein in Kombination mit einem mehr als überschäumendem Temperament sollten auch sie noch früh genug kennenlernen.

So wagten wir uns auf diesem Bild an deinem ersten Tag in der neuen Heimat das erste Mal auf die Koppel. Dein Gesichtchen spricht hier schon Bände, stimmts, mein Kleiner? Ich werde sicherlich niemals vergessen, wie du kurz darauf explodiertest und sprichwörtlich in die Luft gingst. Noch nie habe ich ein Pferd so springen sehen und verständlicherweise war ich mehr als überfordert. Ich glaube so langsam dämmerte mir, dass du kein gewöhnliches Pferd warst. Du warst ein ungezähmter Wildfang, der völlig unkontrollierbar war.

Die nächsten Wochen und Monate kam ich jeden Tag vor und nach der Schule zu dir gefahren, um dich auf die Koppel zu bringen. Denn schon bald war klar, dass das außer mir keine Menschenseele machen würde. Dass du es nämlich ernst meinst, das hat jeder recht schnell begriffen. Nunja, deinen Willen hast du kleiner Racker immer durchgesetzt. Und auch wenn wir mit der Zeit zueinander fanden und die blauen Flecken und Bisse auf meinem Körper weniger wurden – gezähmt habe ich dich nie. Und ich verspreche dir: das werde ich auch nie!

- 2009 -

– 2009 –

Das Jahr 2009: 2 Jahre alt wurdest du nun schon und nach diesem ersten intensiven Jahr mit dir konnte ich mir schon kein Leben mehr ohne dich vorstellen. Jeden Tag wurde ich von deinem Wiehern begrüßt und dieses Geräusch lässt noch heute all meine Sorgen und Ängste vergessen. So langsam fingen wir beide an, zusammenzuarbeiten und deine wilde Energie zu bündeln. Auf der Koppel lernten wir beide spielerisch unsere Grenzen kennen, genauso wie auch unsere Stärken. Und wir fanden unsere Leidenschaft in der Freiarbeit, was glaube ich auch heute noch die größte Freude für uns ist, oder mein kleiner Wildfang? Im Nachhinein tut es mir sehr Leid, dir damals nicht mehr Freunde zum Spielen ermöglicht zu haben. Ich weiß jetzt, dass du das vermisst hast. Doch ich hoffe, dass ich mit meiner Aufmerksamkeit für dich zumindest ein Teil davon wieder gutmachen konnte. Auf jeden Fall erinnere ich mich so gerne an die stundenlangen Spaziergänge mit dir an meiner Seite zurück. Kilometer für Kilometer haben wir zurückgelegt und es wurde nie langweilig. Dafür sorgest du auch mit deinen wilden Aktionen – einfach auf und davon zu laufen und den nächstbesten Bauernhof zu erkunden oder im Wald zu verschwinden, das fanden wir alle damals wenig witzig! Jimmy, Mama und ich haben uns die Seele aus dem Leib geschrien nach dir und hatten so schreckliche Angst. Nur du, du hattest keine Angst. Deine Lebenslust war manchmal ein wenig sehr anstrengend und dennoch hast du alle auf eine wundervolle Art damit angesteckt. Deinem Charme konnte sich eben noch nie jemand entziehen, mein Engel.

 

2010

– 2010 –

Das Jahr 2010: Dieses Jahr sollte unser Jahr werden. Mit 3 Jahren bist du zu einem wirklich starken und vor Energie und Kraft strotzendem Jungpferd herangewachsen. Mit Feuereifer warst du bei jeglicher Arbeit mit mir dabei. Die jugendlichen Scherze hast du dir bis heute nicht abgewöhnt und doch wurdest du langsam ein klein wenig erwachsener. Lange schon sehnten wir beide uns nach einer neuen Aufgabe und ich weiß genau, dass wir beide nur darauf warteten, den nächsten Schritt machen zu dürfen: Deinen Eintritt in das Leben als Reitpferd. Natürlich haben wir diesen nicht auf die konventionelle Art gemacht. Nein, wir hatten schon immer für alles unseren eigenen Weg. So tastete ich mich langsam mit deiner Erlaubnis voran und erklomm Schritt für Schritt deinen Rücken. Immer, wirklich immer warst du dabei völlig frei! Auf der Koppel hättest du mich mit Leichtigkeit, ohne Halfter, Sattel oder sonstigem ausgerüstet, abwerfen und das Weite suchen können. Doch das hast du bis heute kein Einziges Mal gemacht und dafür hast du wirklich einen dicken Knutscher verdient!
Ich werde die Momente nie vergessen, als ich auf dir saß, völlig frei und ohne Ausrüstung und die Leute aus dem Stall uns anstarrten, als wären wir nicht ganz dicht im Kopf. Innerlich bin ich beinahe geplatzt vor Stolz, dass du wilder Wirbelwind mich auf dir sitzen ließt. Auch wenn alle anderen Menschen völlig baff waren, so war mir schon immer klar, dass ich meine Wünsche mit dir nur erfüllt werden würden, wenn ich dir dabei völlige Entscheidungsfreiheit ließe. Danke dafür, dass du dich immer für mich entschieden hast!

Nachdem du mich also auf deinem Rücken akzeptiertest, baten wir für die nächsten Schritte Mama zur Hilfe. So legten wir gemeinsam die ersten gemeinsamen Meter zurück und tapfer trugst du mich wackelnd durch die Gegend. Zu Beginn stieg ich nur für wenige Meter im Gelände auf dich. Diese Momente machten uns so stolz und so glücklich, weißt du noch? Einen Sattel besaßen wir nicht und das brauchte es auch gar nicht – du passtest einfach wunderbar auf mich auf. Und wenn du mal dabei warst, das zu vergessen, war ich flugs runter gesprungen und stand tadelnd vor dir. Wenns drauf ankam, kann die Mami nämlich doch auch mal schnell sein, stimmts?

- 2011 -

– 2011 –

Das Jahr 2011: 4 Jahre alt wurdest du nun schon und aus dem kleinen Wirbelwind wurde ein großer Wirbelwind. Unsere Kommunikation wurde immer feiner, immer leiser. Deine Anwesenheit und unsere Verbindung war selbstverständlich geworden und doch kamst du mir jeden Tag aufs neue wie ein Geschenk vor. Leider begannen irgendwann, die ersten körperlichen Probleme aufzutreten und ich fing das erste Mal an, mir wirklich bewusst Gedanken über deine Ausbildung zu machen. Ich merkte, dass es doch eine ganz schöne Herausforderung war, ein junges Pferd auszubilden und körperlich und geistig gesund zu erhalten und zu stärken! In dieser Phase dachten wir viel nach, probierten aus und versuchten unseren Weg zu finden. Immer wieder tauchten wir dabei in unsere jugendliche Kinderwelt ein und spielten und tobten einfach miteinander. Aus diesen Momenten heraus entstanden fast alle unsere sogenannten Lektionen und ich glaube, das hat sich bis heute nicht geändert.

 

- 2012 -

– 2012 –

Das Jahr 2012: Dieses Foto ist so typisch für uns – wir waren schon immer ziemlich gut darin, komisch zu sein, oder Enti? So schnell wird uns langweilig und dann muss ganz schnell und sofort etwas her, womit wir uns beschäftigen können. 2012 beschäftigten wir uns vermehrt mit der altkalifornischen Westernreitweise. Ein besonderes Highlight sollte im Sommer passieren: Wir beide machten uns auf den Weg, um bei Jean-Claude Dysli zu lernen! Unser erster gemeinsamer Trip weg von daheim und der gewohnten Umgebung. Alle machten sich Sorgen, wie wir beide das schaffen würden, weißt du noch? Nur wir nicht – wir hatten doch einander, was sollte denn passieren? Und abgesehen von ein paar wundervollen Tagen, an denen wir so viel gelernt haben, passierte natürlich auch nichts. Ich gestehe, dass deine Angriffe gegen die anderen Pferde nicht sonderlich nett waren. Aber dafür hatte Jean-Claude zum Glück Verständnis (wie hätte er auch nicht gekonnt, schließlich verzeiht man dir immer alles?). Ich glaube hier passierte noch so ein Moment, der mich ganz schön glücklich machte: Jean-Claude bestätigte mich darin, dass ich meinem Weg treu bleiben solle und dass ich deine Ausbildung bis hierher sehr schön hinbekommen hätte. Ich glaube in diesem Moment habe ich dich innerlich vor Glück und Liebe erdrückt, hast du das gespürt?
Diese Reise war auf jeden Fall ein großer Schritt in unserem bisherigen Leben und auch wenn wir nicht beim Westernreiten geblieben sind, so war es eine sehr lehrreiche Zeit für uns Beide.

- 2013 -

– 2013 –

Das Jahr 2013: Nun warst du schon 6 Jahre alt und so langsam wurden wir beide wohl ein wenig vernünftiger. So beschlossen wir nach diversen körperlichen Rückschlägen, einen kompletten Neustart zu wagen. Den Sommer über legten wir den Sattel weg und fingen ganz von vorne an den Basics an. Ich begann mich intensiv mit den Lehren der akademischen Reitkunst auseinander zu setzen und allgemein mit dem Thema der Gymnastizierung. So formten wir dich und bauten dich auf, bis wir Ende des Sommers wieder die ersten gemeinsamen Ritte unternahmen. Diese gemeinsame Zeit war keinesfalls ein Verlust, sondern vielmehr der Start auf einen neuen Weg. Wie immer konnte ich mich zu 1000 % auf deine Mitarbeit und dein Engagement verlassen. Kein anderes Pferd hätte so schnell solche Fortschritte gemacht wie du, mein Kleiner!

 

- 2014 -

– 2014 –

Das Jahr 2014: Dieses Jahr sollte ein Jahr voller Hochs und Tiefs werden. Gestärkt und belebt kamen wir aus dem Jahr zuvor und wir waren so voller Motivation! Reiterlich und am Boden waren wir in Höchstform und hatten so viel Spaß miteinander! Ein Höhepunkt sollte dann der Kurs bei Jossy Reynvoet im Frühling werden. Auch wenn du anfangs wieder all deine Wildheit ausgepackt hast und mich ein klein wenig zum verzweifeln brachtest, haben wir so viel lernen dürfen! Mir wurde ganz arg bewusst, wie viel du kleiner Teufel mir bedeutest und wie sehr ich darauf achten muss, dich gesund durchs Leben zu tragen – auch wenn das Tragen in der Praxis meist du übernahmst. Momente wie auf diesem Foto sind für die Ewigkeit und das Gefühl dabei unbeschreiblich. Dass du mir diese Momente voller Glück schenkst, das schätze ich so sehr. Und auch nach bereits 6 gemeinsamen Jahren warst du nach wie vor jeden Tag mein Lichtblick und ich verliebte mich täglich ein wenig mehr in dich. Nach dem Kurs jedoch zogen dunkle Wolken auf. Du begannst (mal wieder) zu lahmen und die Diagnose des Tierarztes war erschütternd: Fesselträger-Ringbandsyndrom und als einzige Lösung stand eine OP zur Diskussion. Ich habe geweint wie lange nicht mehr und war so schrecklich verzweifelt. Doch nach und nach fassten wir gemeinsam mit starken Menschen an unserer Seite einen Entschluss, über den ich heute so dankbar bin: Wir wollten es ohne OP schaffen!
So staubte der Sattel einmal wieder in der Sattelkammer ein und wir ließen es ganz langsam angehen. Den Sommer über unternahmen wir unglaublich schöne Spaziergänge durch unsere Wälder und Felder und lernten, einfach miteinander zu sein und unseren Ehrgeiz zu zügeln. Es dauerte, aber wir kamen voran: Bald schon warst du lahmfrei und im Herbst sah alles schon deutlich besser aus. Irgendwann sagtest du mir, dass du nun wieder bereit wärst, mich zu tragen. So wagten wir in den letzten goldenen Herbsttagen die ersten gemeinsamen Ausritte und wir waren so glücklich, dieses Jahr gut beenden zu können!

 

- 2015 -

– 2015 –

Das Jahr 2015: Und nun, meine kleine schwarze Perle, sind im Nu schon 8 Lebensjahre vergangen! Heute ist dein Geburtstag und ich blicke auch in diesem Jahr auf einige Hochs und Tiefs zurück. Emotional wird unser Leben wohl immer einer Achterbahn gleichen, oder mein Bub? Aber letztendlich spielt das alles keine Rolle. Denn ich weiß, dass wir zusammen alles schaffen können! Zusammen sind wir so stark, dass uns nichts auf der Welt ins Wanken bringen kann und dieses Gefühl der Einheit ist unbeschreiblich. Es gehört uns und das für immer!

Danke mein Engel für all deine Geduld mit mir, für deine niemals enden wollende Motivation und vor allem für deine Liebe. Du bist mein größter Schatz und als mein wahrgewordener Traum wirst du immer den größten Teil von meiner Selbst ausmachen. Happy Birthday Khayman!

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4 Kommentare

  1. Ach Alessa… soo ein schöner Text, jetzt hättest du mich fast noch zum heulen gebracht!! Du schaffst es einfach immer wieder, mich total in deinen Texten zu fesseln und ich erkenne mich sehr oft drin wieder. Danke dass du immer wieder deine Gedanken und Erlebnisse mit uns teilst!!

  2. Beate Hausner

    30. April 2015 um 5:04

    Ein wunderbares Liebesgeständnis, welches unter die Haut geht.
    Ich wünsche euch noch viele, wunderbare Jahre zusammen und finde es ganz, ganz toll, dass du dir und deinem Freund stets treu bleibst!

  3. Liebe Allessa!
    Ein wunderschöner Liebesbeweis an dein Pferd! Bei mir ist echt eine Träne gekullert.

    Ihr habt ein wunderbares Verhältnis. Davon kann jeder nur träumen.

    Danke für diesen schönen morgen!

    Lg Claudia

  4. Haii 🙂
    Deine Geschichte ist echt klasse. Ich finde es gut, dass ihr euch niemals wegen irgendein Problem im Stich gelassen habt. Ich finde jeden einzelnen Satz super klasse.

    Ich wünsche dir noch weitere schöne Jahre und viel Erfolg mit deinem Pferd.

    Lg Melissa

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