Alessa Neuner

A Life dedicated to Horses

Schau mir in die Augen, Mensch!

Ein Blick in die Augen eines Pferdes sagt so viel.

Sieh hinein in das Auge deines Pferdes,aber erschrecke nicht vor der Wahrheit.
– Bent Branderup –

Wie an so vielen Tagen war Khayman heute mal wieder ein wunderbarer Lehrmeister für mich. Wenn ich mit ihm unterwegs bin, lerne ich so viel – über ihn, über Pferde im Allgemeinen und am allermeisten über mich selbst. Ich glaube, es gibt keine besseren Persönlichkeitstrainer als unsere Pferde – was meint ihr?
Ich möchte euch gerne erzählen, was Khayman mir heute mit auf den Weg gegeben hat.

Wir waren mal wieder unterwegs auf dem Weg in unseren Lieblingswald. Khayman trug wie in letzer Zeit üblich nur einen Halsring und ein Seil daran. Es windete und die Stimmung war sehr aufgeladen, was sich heute vor allem auf mich übertrug. Ich war bisher am Tag noch nicht wirklich rausgekommen und irgendwie richtig geladen und unruhig. Khayman jedoch ist beim Losgehen meist noch ein wenig verträumt und nimmt sich gerne für alles ausgiebig Zeit. So betrachtet er zum Beispiel beim Hinweg gerne die Pferde auf der Nachbarkoppel, bleibt immer mal wieder stehen um in die Luft zu schnuffen und ab und zu juckt es eben auch mal da und dort und dann muss man eben stehen bleiben um ausgiebig zu kratzen.

Wie ihr euch vorstellen könnt, war mir das heute gar nicht recht. Ich wollte einfach laufen und Energie loswerden, was normalerweise ja eher Khaymans Part ist. Nunja, menschlich und unperfekt wie man eben so ist, brachte ich herzlich wenig Geduld für Khayman sein Geschleiche auf. Ich forderte ihn ständig dazu auf, mal ein wenig Tempo zu machen und nicht ständig stehen zu bleiben. Bis ich irgendwann aufsah und Khaymans Blick einfing. Es war ein Augen öffnen im wahrsten Sinne des Wortes. Ich blickte in seine Augen und sah plötzlich mich selbst darin, wie ich vor Ungeduld und Unverständnis fast platze. Gleichzeitig sah ich Khayman. Und damit meine ich nicht nur das Pferd neben mir, das dies oder jenes tat. Ich sah in seine Augen und sah IHN. So deutlich sagte er mir, was in ihm vorging. Er bat mich, zur Ruhe zu kommen und nicht vor mir selbst davonzulaufen. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber es war ein Blick ins Herz.

Manchmal lohnt es sich, für einen Moment inne zu halten und seinem Pferd in die Augen zu sehen. Jeder wird eine Botschaft für sich darin finden.

Manchmal lohnt es sich, für einen Moment inne zu halten und seinem Pferd in die Augen zu sehen. Jeder wird eine Botschaft für sich darin finden.

Mir wurde mal wieder bewusst, wie gerne wir unsere Pferde überhören. Und wieviel sie uns zu sagen haben, wenn wir nur hinhören – kein banales Geschwatze, sondern die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

Ich beschloss heute also, meinem Pferd wieder öfters in die Augen zu sehen. Einfach mal innezuhalten und ihn anzusehen. Das schenkt mir nicht nur einen Einblick in seine Gefühlswelt, sondern auch in meine. Ich glaube, das Sprichwort „Das Pferd ist dein Spiegel“ ist ein wirklich weiser Satz.

So viele Fehler und unschöne Situationen würden sich vermeiden lassen, würden wir öfters mal einen Blick in die Augen unserer Vierbeiner werfen. Ich glaube, die aufrichtige Direktheit darin lässt keinen Menschen unberührt. Oft fahre ich auf Veranstaltungen und blicke in die traurigsten Pferdeaugen, die man sich vorstellen kann. In den ganz schlimmen Fällen ist gar kein Leben mehr zu erblicken. Würden die Reiter dieser Pferde einmal innehalten und ihren Tieren in die Augen blicken – ich glaube es würde sich einiges ändern. Doch auch wir können davon lernen. Sehen wir es als Aufforderung, auch im Umgang mit unseren geliebten Vierbeinern öfters innezuhalten und uns einen Moment Zeit zu nehmen, ihnen tief in die Augen zu schauen. Ich bin mir sicher, wir alle werden darin eine Botschaft finden.

So beendeten Khayman und ich unseren heutigen Spaziergang mit einem wunderschönen Gefühl der Zusammengehörigkeit. Wir fanden zueinander, indem jeder einen Schritt auf den anderen zumachte. Am Ende liefen wir im Gleichschritt Schulter an Schulter nebeneinander her und genossen einfach die Gesellschaft des anderen. Khayman schaffte es mal wieder, dass ich im Alltagsstress zu mir selbst finden konnte. Danke, mein Kleiner!

Manchmal lohnt es sich, für einen Moment inne zu halten und seinem Pferd in die Augen zu sehen. Jeder wird eine Botschaft für sich darin finden.

Manchmal lohnt es sich, für einen Moment inne zu halten und seinem Pferd in die Augen zu sehen. Jeder wird eine Botschaft für sich darin finden.

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3 Kommentare

  1. Liebe Alessa,

    danke für diesen Text! Genau so ein Erlebnis hatte ich neulich auch mit meiner Reitbeteiligungsstute. Wir kennen uns noch nicht lange und testen noch aus wie wir am besten miteinander kommunizieren und wie der andere so tickt. Nun wollten wir diese eine Übung machen und es klappte und klappte nicht. Ich ließ mich dazu hinreißen immer mehr Druck zu machen, weil ich dachte sie will nicht. Dann sah ich ihr in die Augen und begriff: Sie versteht nicht was ich meine! Mir tat es natürlich total leid, dass ich so unleidlich reagiert hatte. Ich habe die Situation aufgelöst, ihr in einer anderen Konstellation gezeigt was ich möchte und als wir diese spezielle Übung dann nochmal probiert haben, hat es auf Anhieb geklappt. Es lohnt sich wirklich genauer hinzusehen, denn wir können von unseren Pferden unendlich viel lernen! 🙂
    Liebe Grüße.
    Sophie

    • Alessa

      19. August 2014 um 22:41

      Liebe Sophie,
      es freut mich, dass du deiner Stute so zuhörst und ihr deine Aufmerksamkeit schenkst. Ich bin mir sicher, dass sie dir das danken wird! 🙂 Fehler machen ist einfach menschlich – es ist nur wichtig, diese zu erkennen und daraus zu lernen.
      Ganz liebe Grüße und viel Erfolg weiter mit deiner Maus!
      Alessa

  2. ♥♥♥♥
    Super schöner Beitrag! Aber ich habe bisher vermieden, meinem Pferd in die Augen zu schauen, weil in vielen Texten, die ich las, stand, man solle, wenn man beispielsweise auf die Pferde zugeht, den Blick senken und sie dann streicheln. Also „Schau mir in die Augen, kleines“ ist ok? Das wäre super. Ich liebe, die Blicke der Pferde einzufangen und mich darin zu verlieren! =^ ^= Obwohl ich, weil ich noch blutige Anfängerin bin, wohl noch viel lernen muss, darin auch „lesen“ zu können.

    Viele Grüße
    Tine

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