Alessa Neuner

A Life dedicated to Horses

Longieren – das ist doch das, wo die Pferde so im Kreis herum rennen. Oder?

Mit dem Hintergrund einer soliden Arbeit an der Longe kann ich so viel erreichen!

Mit dem Hintergrund einer soliden Arbeit an der Longe kann ich so viel erreichen!

Lange Zeit war für mich das Longieren ein Begriff, der ungefähr genauso negativ geprägt war wie „Sperrriemen“ oder „Ausbinder“. Leider stehen oft auch heute noch diese Begriffe in engem Zusammenhang. Aber so muss es nicht sein!

Das, was man herkömmlich mit dem Longieren verbindet, ist für mich so ziemlich das Schlimmste, was man seinem Pferd antun kann. Mit Ausbindern in eine starre Haltung fixiert, werden die Pferde Runde für Runde um den Menschen herum getrieben, völlig sinnfrei für jegliches Pferd. Als Grund für diese Art des Longierens wird meist genannt, dass die Pferde vor dem Reiten Luft rauslassen müssen, damit sie beim Reiten nicht bocken oder davonlaufen. Für mich völlig unverständlich, denn meine Pferde haben jederzeit die Möglichkeit zu bocken und zu laufen, deshalb sehen sie auch keinen Grund, dies genau unter dem Reiter zu machen. Aber nun gut, da stoßen teils wohl einfach Welten aufeinander.

So oder so – der herkömmlichen Art des Longierens kann ich schlicht nichts abgewinnen. In meinen Augen sieht das Pferd keinen Sinn darin, stur und ohne Abwechslung seine Runden um den Reiter zu drehen, welcher selbst wie eine Statue festgewachsen die Mitte des Kreises auf keinen Fall verlassen darf! Warum nicht? Na, das sagt die FN! Ist doch klar, oder?

So betrachtete ich in meiner Kindheit und Jugend in allen möglichen Ställen, wie die Pferde und Ponys im Kreis durch die Gegend gescheucht wurden und wusste: Longieren, das möchte ich meinem Pferd niemals antun!

Longieren? Das würde ich meinen Pferden niemals antun, da war ich mir sicher.

Longieren? Das würde ich meinen Pferden niemals antun, da war ich mir sicher.

Die Zeit verstrich und Jahre später, als schon längst meine eigene Herde im Stall stand, tauchte da immer wieder ein Begriff auf: „Longenkurs“. Anfangs schenkte ich dem nicht weiter meine Aufmerksamkeit, schließlich versteckte sich doch ganz klar das böse Wort in diesem Begriff. Doch irgendwann lies es sich fast nicht mehr vermeiden. Also schaute ich auf die Seite von Babette Teschen, stöberte in ihren Berichten – und entdeckte eine neue Welt für mich! Dort wurde dem Begriff „Longieren“ eine völlig neue Bedeutung beigemessen. Es ging nicht darum, die Pferde sinnfrei im Kreis um sich herum laufen zu lassen. Vielmehr wurde mir hier eine Art offenbart, mit den Pferden auf einer Ebene zu arbeiten, wo ich einerseits gymnastizierend einen wahninnig großen Wert herausziehen konnte und andererseits die Pferde wirklich Spaß an der Sache hatten! Fasziniert von dieser neuen Art des Longierens kaufte ich mir Babettes Buch „Praxiskurs Bodenarbeit“ und begann, meine Pferde am Boden auf das Longieren vorzubereiten. Heute habe ich meine ganz eigene Art des Longierens gefunden, die jedoch dem Longenkurs sehr nahe kommt, so denke ich.

Im Kreis herumlaufen lassen, das ist immer noch nichts für mich. Aber richtiges Longieren, das macht mir und meinen Pferden heute wirklich Spaß und hat nebenbei Khayman dazu verholfen, sich wunderschön locker und dynamisch unter dem Reiter bewegen zu können.

Die Arbeit an der Longe hat Khayman einen Weg gezeigt, sicher locker und ausbalanciert unter dem Reiter zu bewegen.

Die Arbeit an der Longe hat Khayman einen Weg gezeigt, sicher locker und ausbalanciert unter dem Reiter zu bewegen.

Was jedoch in meinen Augen immer noch kritisch zu betrachten ist, ist die Tatsache, dass man so schnell so Vieles falsch machen kann!

Ein Pferd ist von Natur aus nicht dafür gemacht, im Kreis zu laufen. Um ein Pferd in allen Gangarten über längere Zeit longieren zu können, muss ich es langsam, schonend und über einen langen Zeitraum aufbauen! Nehme ich mir heute ein junges, unausbalanciertes Pferd und schicke es eine halbe Stunde an der Longe um mich herum, so würde es mich nicht wundern, wenn es am nächsten Tag lahmend entgegenkommt. Das Longieren ist mit Vorsicht zu genießen! Für mich ist es ein absolutes Muss, sein Pferd langsam an diese Art der Bewegung anzutrainieren. Ebenso wichtig finde ich, das Pferd vor jeder Longen-Einheit genügend aufzuwärmen. Ich arbeite jedes Pferd mindestens 15 Minuten an der Hand, bevor ich es an der Longe auf den Kreis schicke. An der Longe selbst darf für mich eine Zeit von höchstens 20 Minuten niemals überschritten werden. Ich bin der Meinung, dass dies völlig ausreicht, um einen gymnastischen Wert aus der Arbeit zu ziehen. Trainings-Techniken wie die Equikinetic bestätigen mich in dieser Meinung.

Das richtige Longieren will gelernt sein und muss wirklich fundiert aufgebaut werden - andernfalls sind Schäden vorprogrammiert.

Das richtige Longieren will gelernt sein und muss wirklich fundiert aufgebaut werden – andernfalls sind Schäden vorprogrammiert.

Wer heute sein Pferd auf eine sinnvolle Weise longieren will, findet zum Glück sehr viele interessante Infos. Das stupide im Kreis Gerenne sieht man immer weniger, was mich persönlich sehr erleichtert. Die FN würde meine Arbeit an der Longe wahrscheinlich nicht als Longieren im klassischen Sinne bezeichnen. Aber ich denke, das macht mich eher froh als traurig 😉

Ein ebenso wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist die richtige Ausrüstung. Vielleicht werde ich dazu mal noch einen eigenen Post schreiben. Einen Satz möchte ich dennoch dazu verlieren. Auch wenn ich vielleicht nicht immer ganz so präzise damit arbeiten kann – ein weiches, gut sitzendes Stallhalfter ist für mich im Zweifelsfall immer das Mittel der Wahl. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Zäumungen kann ich damit am wenigsten Schaden anrichten und es hat wirklich jeder an der Hand, ohne Unsummen dafür ausgeben zu müssen.

Wie sich meine Einstellung zum Longieren so sehr ändern konnte, beweist mal wieder, dass man doch immer offen sein sollte für neue Dinge in seinem Leben. Das bedeutet keinesfalls, dass man all seine Überzeugungen und Meinungen über Bord wirft. Es bedeutet aber manchmal, über seinen eigenen Schatten zu springen und einen Blick „nach draußen“ zu werfen. Dalai Lama hat hierfür wohl die passendsten Worte gefunden:

Öffne der Veränderung Deine Arme,

aber verliere dabei Deine Werte nicht aus den Augen.

Wer sich unsere Art des Longierens einmal ansehen möchte, kann gerne mal einen Blick in unser Youtube-Video werfen. Hier sieht man einen kleinen Einblick in unserer aufwärmende Arbeit an der Hand, die Longenarbeit selbst und wie man auf dieser für die Freiheitsdressur aufbauen kann.

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9 Kommentare

  1. Ah schön dein Video war echt inspirierend um mit meinem Zanadik bisschen an unserer Bodenarbeit zu feilen. Das Stöckchen ist toll das du nutzt, was ist das für eins wenn ich fragen darf?

    • Das freut mich, wenn ich dich ein wenig inspirieren konnte – sonst schaue ich mir immer bewundernd EURE Fotos an! 🙂
      Das Stöckchen im Video ist ehrlich gesagt nur eine ganz billige Gerte, die vorne abgebrochen ist *hihi
      Momentan benutze ich eine Gerte von Flex, die ich wirklich liebe, weil sie so schön in der Hand liegt und sehr leicht ist. Mit den schweren Stöcken kann ich einfach nicht umgehen…

  2. Liebe Alessa,

    wow, ich finde diese Art der „Longen“arbeit super!! Auch ich dachte mir schon immer „Man …. diese Longenarbeit muss für die Pferde ja tierisch langweilig sein!“. Allerdings hatte ich auch den Wert dahinter im Kopf: Muskelaufbau etc. Jetzt sehe ich hier deinen Beitrag und das Video und denke mir „Oaaah, das will ich auch!!“ Ich bin allerdings blutiger Anfänger, was Longen- und Bodenarbeit angeht. Kannst du mir vielleicht Tipps geben oder gibt es irgendwo ein Video, wo du erklärst, wie man diese „Longen“arbeit (richtig) durchführt? 🙂
    Das Video ist übrigens super schön! ♥

    Viele liebe Grüße
    Tine

    • Liebe Tine,
      vielen Dank für deine lieben Worte, das freut mich natürlich sehr! 🙂
      Ich würde dir auf jeden Fall das Buch „Praxiskurs Bodenarbeit“ von Babette Teschen empfehlen. Vielleicht kannst du auch mal einen Kurs von ihr besuchen, das ist sicherlich auch sehr lehrreich!
      Ansonsten versuche ich gerne mal ein Video dazu zu machen, wo ich die Basics erkläre!
      Ganz liebe Grüße!
      Alessa

  3. Liebe Alessa,

    mir ging es genauso wie Dir: Longenarbeit war für mich immer eine sehr unschöne Art Pferde müde zu bekommen und ich hatte mit den Pferden, die bei uns so eingeschnürt im Kreis rumgescheucht wurden immer wahnsinniges Mitleid. Auch für mich hat der Longenkurs von Babette Teschen erst die Erkenntnis gebracht, dass man dem Pferd an der Longe auch etwas sinnvolles beibringen kann. Ich finde es klasse, dass Du darauf aufbauend Deinen eigenen Weg des Longierens entwickelt hast.
    Aber in dem Video fand ich vor allem eure Freiarbeit toll. Das ist wahnsinnig inspirierend. Wie aufmerksam Khayman bei Dir ist und wie wunderbar leicht und mit Spaß ihr kommuniziert… Wunderschön! So möchte ich das auch mal. 🙂
    Liebe Grüße,
    Sophie

  4. Liebe Alessa, das einschnüren und im Kreis rennen finde ich auch ganz grauenvoll. Babette und ihre Wege zum Pferd sind ohnehin für alles eine so tolle Inspirationsquelle, ich surfe oft bei den beiden vorbei. Kennst Du auch die Trainingsmethode der Dualaktivierung? Ich habe da gerade eine junge Trainerin gefilmt und werde mein Übungsfilmchen *hüstel* auch demnächst auf die Webseite stellen. Nachdem Du schon so viel recherchiert hast zu dem Thema, würde mich schwer interessieren, was Du davon hältst?
    Liebe Grüße an Khayman und Dich, Petra

  5. Liebe Alessa,

    wirklich ein sehr schön geschriebener Blogeintrag und das Video ist wahnsinnig toll!
    Ich selbst habe mich auch durch Babett Teschen’s Longenkurs inspirieren lassen und arbeite, seit ich mein eigenes Pony, habe nun danach. Es macht uns viel mehr Spaß und auch ich stehe nicht nur rum, sondern komme ordentlich ins schwitzen.
    Es ist eine wahnsinnige Umstellung, wenn man aus einem Dressurstall kommt in dem alle ziemlich eingefahren sind und man das Longieren jahrelang auf die „herkömmliche Art und Weise“ eingetrichert bekommen hat. Umso mehr freue ich mich, dass ich es nun anders mache und mir andere Meinungen darüber so ziemlich egal sind.
    Longieren ist eine feine Sache, wenn man es richtig macht!
    Über ein Video mit Erklärung deiner Longenarbeit würde ich mich auch sehr freuen! 🙂

    Liebe Grüße,
    Marlene

    • Liebe Marlene,
      das freut mich so sehr! Ich habe das Gefühl, dass langsam immer mehr Menschen zum Umdenken kommen und ihr Pferd in einem anderen Licht sehen. Dieser Prozess ist sicherlich nicht einfach und ein langer Weg, aber ich bin mir sicher – es lohnt sich! 🙂
      So ein Video mache ich gerne einmal, ist gemerkt!
      Ganz liebe Grüße
      Alessa

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