Alessa Neuner

A Life dedicated to Horses

Die Frage nach dem Sinn des (Reiter)Lebens

Was möchte ich mit meinem Pferd erreichen?

Du und ich – was ist unser gemeinsames Ziel?

Als ich gestern dabei war, meine Seite mit Inhalten zu füllen, kam ich irgendwann ins Grübeln. Ich war an einem Punkt angelangt, wo ich mich fragte: „Was ist eigentlich der Sinn hinter dem Ganzen?“. Was ist das Ziel, der Grund, die Motivation hinter der ganzen Arbeit für und mit meinen Pferden? „Ohje, “ werdet ihr euch vielleicht denken, „jetzt dreht sie aber völlig ab“. Dabei geht es hier gar nicht so sehr um Philosophie, sondern eigentlich um ganz banale Dinge, ja um den Alltag selbst.

Man hat so viele Pläne im Kopf, die man mit seinem Pferd erreichen möchte. Diese Woche steht dieses und jenes auf dem Trainingsplan, bis zum Ende des Jahres soll jenes Ziel erreicht sein, um dann im darauffolgenden Jahr den nächsten Schritt angehen zu können. Mit diesem Wust von Gedanken im Kopf arbeiten wir Tag für Tag vor uns hin. Mal läuft es schlechter, mal wieder besser. Wir haben Tage, an denen wir mit einem miesen Gefühl den Stall verlassen und wissen, dass irgendetwas einfach nicht so recht gepasst hat. Dann wiederum folgen Phasen, in denen wir einfach wundervolle Momente mit unseren Pferden genießen und fragen uns vielleicht, warum wir gerade so glücklich sind. Warum gerade jetzt, wo man doch vielleicht seinem Ziel im Kopf gar nicht näher gekommen ist?

Ich glaube, dass wir eine Sache bei diesem Chaos von Plänen und Zielen schnell aus den Augen verlieren: Der Sinn hinter dem Ganzen. Für was wir all diese Zeit, das Geld, die Nerven, die Tränen und auch ab und zu den Frust investieren und ertragen.

„Und was beudetet das nun?“ werdet ihr euch warscheinlich fragen. Es ist ganz einfach: Es ist das Wir. Das Pferd und ich. Unsere Beziehung, unsere Freundschaft!

Vertrauen, Verbundenheit, Freundschaft - das ist es, was ich als höchstes Ziel begreife

Vertrauen, Verbundenheit, Freundschaft – das ist es, was ich als höchstes Ziel begreife

Und plötzlich wird klar, warum wir an manchen Tagen mit einem Lächeln im Gesicht den Stall verlassen, obwohl wir doch nur ein wenig gestriegelt haben und nichts für die Gymnastizierung taten, den längst fälligen Stallputz nicht erledigt haben und das eigentlich täglich geplante Muskeltraining nicht durchgezogen haben. All dies haben wir nicht erreicht – dafür haben wir warscheinlich an diesem Tag etwas erreicht, was viel wichtiger ist: Wir haben die Freundschaft zu unserem Pferd gestärkt. Wir haben, wie das Sprichwort so schön sagt, „unsere Seelen baumeln“ lassen und unser Band zueinander gefestigt.
Heute ist mir klar geworden, was für mich der Sinn dahinter ist: die wunderbare, zarte und doch so großartige Beziehung zu meinem Pferd. Diese wahre Freundschaft, die kein Trainingsplan der Welt erzwingen kann und die sich nicht auf Knopfdruck einschalten lässt. Die einem aber auf der anderen Seite die schönsten Momente zusammen mit seinem Pferd schenkt und einfach mehr wert ist, als alles andere.

Natürlich heißt das nicht, dass ich ab sofort kein Dressurtraining mehr mache, den Stall nicht mehr fegen werde und mein Pferd sich den ganzen Tag auf der Koppel den Bauch rund frisst. Ich habe weiterhin Pläne und Ziele im Kopf, auf die ich hinarbeite. Aber mir ist klar geworden, dass diese niemals an erster Stelle stehen dürfen. Denn dieser Platz ist nur für uns reserviert: für mich und mein Pferd!

freie Bodenarbeit mit Jimmy

Unsere Beziehung zueinander ist das, was im Vorderund steht. Immer!

Diese Erkenntnis kann so wunderbar und doch so schwierig sein, wenn man sie im Alltag berücksichtigen möchte. Denn es bedeutet zum Einen, dass ich vielleicht auf manche Ziele verzichten muss. Ich weiß noch, dass ich mir beim Kauf von meinem Araber Khayman immer erträumte, wie wir später einmal zusammen auf den großen Distanzritten mitreiten würden. Diesen Traum verfolgte ich lange und trainiert auch darauf hin. Bis ich immer unzufriedener wurde und mein sonst so lauffreudiges Pferd immer unwilliger. Weil ich eins übersehen hatte: Diesen Traum verfolgte zwar ich, mein Pferd jedoch nicht. Für ihn sind lange Ritte in eintönigem Tempo ein Graus. Dennoch machte er mit, mir zu liebe. Doch dabei ging etwas immer mehr verloren: Unsere eigentlich so intensive Bindung zueinander. Nach diesen Trainingseinheiten hatte ich plötzlich nicht mehr dieses schöne Gefühl, glücklich und zufrieden nach Hause zu fahren. Es dauert eine Zeit lang bis ich merkte, was die Ursache war. Als ich das realisierte, war es nicht wie erwartet ein Schock. Vielmehr war ich auf eine gewisse Weise erleichtert. Erleichtert, dass wir dieses Ziel gar nicht zu erreichen brauchten. Denn wir hatten da bereits etwas viel wertvolleres gefunden – na, ihr wisst hoffentlich, was ich meine?

In der Konsequenz heißt diese Erkenntnis für mich, dass ich durchaus noch Ziele mit meinen Pferden verfolge. Diesen wird jedoch längst nicht mehr die selbe Bedeutung eingeräumt, wie ich das früher tat. Und das wiederum bedeutet für mich eine wirkliche Erleichterung. Es ist ok, wenn ich an einem Tag, der perfekte Bedingungen für eine gute Trainingseinheit bietet, einfach mal nur auf der Koppel sitze und meinen Pferden beim Grasen zusehe. Denn ich weiß, dass diese Stunden keine verlorenen Stunden sind. Vielmehr ist es Zeit, die ich warscheinlich intensiver mit ihnen erlebe, als bei einem halbherzig durchgezogenen Training.
Und genau diese Tage sind es dann oft, an denen ich den Stall mit einem Lächeln auf den Lippen verlasse und dem Gefühl im Herzen, wahre Freunde an meiner Seite zu haben. Freunde, dich mich am nächsten Tag mit einem leisen Blubbern und freudig glänzenden Augen erwarten werden und alles für mich geben würden. Denn sie wissen, dass ich unser wichtigstes Gut bewahre und sie respektiere, genau so wie sie sind. Das ist für mich, was wahre Liebe ausmacht.

Verlorene Zeit? Niemals!

Verlorene Zeit? Niemals!

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14 Kommentare

  1. Wow! Tolle Erkenntnisse über das Leben und einfach schön geschrieben. Und vor allem denke ich ist dies ebenso auf zwischenmenschlicher Ebene anwendbar, wie zwischen Mensch & Tier.

    Danke!

  2. Einfach nur wunderschön,aber ich glaube da werd ich mit meinen beiden Mädels nie ankommen!!

    • Alessa

      3. August 2014 um 18:57

      Sag niemals nie! 🙂 Ich habe jahrelang darauf hingearbeitet, was ich nun mit meinen Pferden habe. Zeit, Geduld und eine große Portion Liebe und ihr schafft das auch!

  3. Wieder einmal ein einfach wundervoller Text, Alessa.
    Ich werde bestimmt auch hier (neben deiner fb Seite) eine regelmäßige Besucherin sein 😉

    Ich kann dir bei deinen Gedanken wirklich nur voll zustimmen…
    Nur, ich habe ja mit meiner Piri (weißt du wer wir sind? 😉 ) das Problem, dass sie ja dringendst abnehmen muss, und ich daher jedes mal, wenn ich nicht großartig was mit ihr gemacht habe, oder wenn ich sie grasen lasse, fast ein schlechtes Gewissen…
    Für mich ist das zZt ein totaler Zwiespalt, weil ich eigentlich ja schon einfach mal nichts tun möchte, aber dann ein noch schlechteres Gewissen hab, als wenn ich immer was „richtiges“ mache, weil ich eben auch ganz genau weiß, dass ihr ihr Übergewicht jetzt schon oder bald schaden könnte…

    Auf jeden Fall vielen Dank für deinen wundervollen Text =)

    • Alessa

      3. August 2014 um 18:56

      Hi Rebecca,
      klar weiß ich wer ihr seid! 🙂 Das sprichst du natürlich etwas Wahres an – manchmal muss man auch etwas durchziehen, was vielleicht für den Moment für die Beziehung nicht perfekt ist. Aber die Gesundheit geht nunmal vor! An solchen Tagen kann man vielleicht auch einfach einen Kompromiss finden, indem man wenigstens eine kleine Einheit macht und sich danach mit einer schönen Pause belohnt 🙂
      Manchmal gibts einfach keine perfekte Lösung, das muss man dann wohl auch so akzeptieren!

  4. Ich Weis nicht ob es falsch oder gerade richtig ist.. Ich komme immer wieder zu der frage und immer wieder fällt mir ein das ich sie doch beantworten kann! Wahrscheinlich aber immer wieder stelle, weil ich es vllt. Nicht durch setzte, wobei ich will keine Freundschaft erzwingen ist es der Niederschlag der mir ab und zu begegnet.. Der mich die frage stellen lässt: „Sattel ab- höre auf zu reiten, vom Boden aus geht es auch weiter!“ – ob diese Entscheidung damit zusammen hängen mag, dass ich erneut Angst habe falsche Wege einzuschlagen obwohl ich doch den richtigen weg gefunden habe.. Aber aus stress und Verzweiflung falsch mit dem Tier Pferd umzugehen? Eigentlich weiß ich doch, dass es mir nur um das gegenseitige vertrauen und respektieren geht. Der Traum vom Distanzritt ist da ganz schnell nie da gewesen (:
    Danke für den Text!

    • Alessa

      3. August 2014 um 21:35

      Ich glaube, manchmal muss man wirklich versuchen, einfach das Herz entscheiden zu lassen. Wenn du ein komisches Gefühl dabei hast, lasse es. Vielleicht ist es dann einfach noch nicht die richtige Zeit. Das muss ja nicht heißen, dass es niemals richtig sein wird 😉 Aber meist lohnt es sich doch, auf sein Bauchgefühl zu hören. Die erste Intuition ist meist nicht so verkehrt, bis dann der Kopf daherkommt und alles wieder durcheinander bringt und einen völlig verwirrt 😉

  5. So wunderschön geschrieben! Du sprichst mir einfach jedesmal aus dem Herzen und bringst mich zum nachdenken. Vielen Dank dafür, mach bitte weiter so und teile jeden noch so kleinen Gedanken mit uns.<3

  6. Du sprichst mir aus dem Herzen Alessa. Ich verfolge deine Beiträge schon ne ganze Weile und durch dich bin ich oft zum Nachdenken angeregt, auch wieder bei diesem Text. Bisher läuft es bei mir leider oft so…abgehetzt zum Pferd, holen, putzen, reiten und wieder wegbringen, schnell wieder nach Hause weil da das Kind wartet.
    Aber ich möchte daran was ändern….es ist kein einfacher Weg—weil ich mich ändern muss. Aber ich arbeite dran. Und am Samstag ist es mir gelungen den 1.Schritt zu tun. Ich hab mich 45 min zu meinem Pferd ( leider bin ich nur RB) auf die Wiese gesetzt, zugeschaut und ein bisschen gestreichelt. Und was ist passiert??? Er ist bei mir stehen geblieben, die ganze Zeit und hat in Ruhe gefressen. Seine Blicke und seine Anwesenheit haben mich so ruhig und entspannt werden lassen. Ein tolles Gefühl. Daran möchte ich anknüpfen. Ohne Erwartung zu ihm fahren und eine schöne Zeit mit ihm zu verbringen. Schön für uns beide….

    • Alessa

      4. August 2014 um 11:32

      Liebe Katrin,
      das hast du wunderschön gesagt. Und das ist etwas, was unsere Pferde auf so wundervolle Weise schaffen – uns in unserer Persönlichkeit zu stärken. Auf ihre ganze besondere Art schaffen sie es, dass wir immer weiter an uns selbst arbeiten, ohne dass wir dies vielleicht so bewusst wahrnehmen. Ich denke, auch deswegen sind meine Pferde mir so gute Lehrer – weil sie mir nicht das Gefühl geben, mich zum Lernen zu zwingen sondern nur den Wunsch in mir wecken, mich weiterzuentwickeln 🙂
      Toll, dass du diese Selbsterkenntnis für dich gefunden hast, liebe Katrin. Ich wünsche dir ganz viel Stärke dabei, ich bin mir sicher, du bist auf dem richtigen Weg!

  7. Liebe Alessa,
    ich muss an dieser Stelle leider mal etwas Kritik äußern:
    Du hälst mich von der Arbeit ab! 😀
    Jeden Morgen nach der ersten Tasse Tee logge ich mich bei FB ein, um zu sehen ob es schon einen neuen Bericht von dir und Khaymi gibt, lese mir die Kommentare durch oder hole mir Anregungen für meinen Pony-Alltag.
    Und jetzt hast du auch noch einen Blog!
    Ich glaube ich kann meinen Job gleich kündigen, hihi 😉
    Bitte mach weiter so und verändere mit deinen wundervollen Beiträgen ein stückchenweit die Pferdewelt!
    Ganz lieber Grüße,
    Clarissa

  8. Saskia Limbeck

    4. August 2014 um 21:52

    Es ist genau, wie ich es erwartet habe – es bist du!

    Du hast verstanden, worum es im Zusammensein mit den Pferden geht!

    Weil du den Sinn für die Dinge hast, die unsere Seele berühren.
    Weil es eben nicht nur um Ziele, Erfolge und Errungenschaften geht.
    Weil du spürst, was nur wenige spüren. Die Liebe & Verbundenheit <3

    Ich liebe deine Berichte, freue mich über neue Denkanstöße und bin froh über alle übereinstimmenden, aber auch kritisch anregenden Gedanken.

    Ich weiß, dass du auf dem richtigen Weg bist und du große Spuren bei vielen Menschen hinterlässt. Bleib so wie du bist, denn du bist ein wundervoller Mensch mit einer wunderbaren Gabe – FEINGEFÜHL!

    Thanks for our great and gorgeous friendship :-*

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