Alessa Neuner

A Life dedicated to Horses

Das Positive im Negativen – wie ich meinem Pferd auf angenehme Art Druck mache

Gymnastizierung kann eine wunderbare Bereicherung für Pferd und Reiter sein. An erster Stelle darf sie finde ich dennoch nie stehen!

Vor Kurzem habe ich auf einem Kurs eine Erkenntnis gehabt, die mir mal wieder die Pferde aufgezeigt haben. Es ging darum, die Pferde auf leisen Druck im Genick nachgeben zu lassen. Ich wollte den Besitzern mit dieser Übung nicht in erster Linie zeigen, wie sie ihr Pferd auf Druck weichen lassen können. Ich wollte ihnen stattdessen eine Übung mit an die Hand geben, mit der sie ihr Pferd zur Entspannung bringen können. Dabei überlegte ich und stellte fest, dass es deutliche Unterschiede von Druck gibt.

Es gibt die eine Form, die in der Reiterwelt leider wohl vorherrscht. Sie sieht so aus: Ich mach dem Pferd mit meinen Fingern, mit einer Gerte, einem Stick oder sonst etwas so lange so viel Druck, bis das Pferd diesem weicht. Dieser Druck wird wirklich so lange aufrecht erhalten oder noch verstärkt, bis das Pferd nachgibt.

Als ich aber meinen Schülern erklären wollte, ihr Pferd im Genick nachgeben zu lassen, fiel mir auf, dass es nicht diese Art von Druck war, die ich erzeugen wollte. Mir ist bei dieser Übung so wichtig, dass die Pferde sich wirklich entspannen und loslassen, nicht einfach per Knopfdruck den Kopf senken. Denn Kopf senken bedeutet nicht immer Entspannung. Diese bekomme ich nur, wenn die Pferde wirklich loslassen und den Hals fallen lassen.

Entspannung auf Befehl? Für mich ein Inbegriff von Widersprüchlichkeiten...

Entspannung auf Befehl? Für mich ein Inbegriff von Widersprüchlichkeiten…

Nun hatten wir also auch Pferde, die den Druck im Genick unangenehm fanden und versuchten dagegen zu gehen und ihm in einer anderen Richtung zu entgehen. Klassischerweise hätte man den Druck nun so lange aufrecht erhalten müssen oder auch noch verstärken, bis das Pferd diesem nachgibt. Doch muss das wirklich sein? Was lernt mein Pferd dabei? Dass der Mensch der Stärkere ist und es letzendlich keine Wahl hat, sodass es beim nächsten Mal lieber gleich aufgibt und dem Druck nachgibt?

Aber ist es wirklich das, was ich will? Kann ich mein Pferd zur Entspannug zwingen? Ich denke, das kann ich nicht. Deshalb suchte ich einen anderen Weg. Ich versuchte also, dem Druck etwas Positives beizufügen. „Das kann doch gar nicht gehen, Druck ist immer unangenehm“ sagt ihr vielleicht gerade? Nun, dann denkt doch mal an eine Massage. Und, seid ihr immer noch der Meinung, dass Druck unangenehm sein muss?

Auch beim Reiten ohne Sattel und Zaumzeug komme ich nicht völlig ohne Druck aus. Doch es ist wohl das "Wie", das zählt...

Auch beim Reiten ohne Sattel und Zaumzeug komme ich nicht völlig ohne Druck aus. Doch es ist wohl das „Wie“, das zählt…

Mit dieser Vorstellung einer leichten Massage ging ich die Übung des Kopf Senkens nun an. Ich legte meine Hand in den Nacken des Pferdes und übte massierend leichten Druck dort aus. Manchmal zog das Pferd den Kopf nach oben oder seitlich weg oder machte einen Schritt zurück. Ich zog meine Hand zurück und lies ihm den Freiraum. Dann legte ich ganz langsam wieder meine Hand auf und begann erneut, mit leichtem Druck zu massieren. Es brauchte in paar Anläufe, dann begann das Pferd plötzlich, seine Augen leicht zu schließen und den Kopf zu senken. Es waren nur ein paar wenige Millimeter, aber es war die Richtung, die ich wollte. Später übte die Besitzerin selbst weiter und heute senkst das Pferd ganz entspannt den Kopf, sobald man leichten Druck im Genick aufbaut.

Was mir dieses Pferd also gelehrt hat? Erst einmal habe ich gelernt, dass es fast immer irgendwo eine positive Eigenschaft gibt, die ich herausziehen und verstärken kann. Genauso, wie ich das auch mit dem gewünschten Verhalten meiner Vierbeiner mache. Zweitens habe ich mich mal wieder bestärkt darin gefühlt, dass es sich so lohnt, auf Freiwilligkeit zu setzen. Meine Pferde müssen nicht kooperieren, nur weil ich etwas gerne durchgeboxt habe. Vielleicht dauert es so manchmal länger und ich muss einige Umwege in Kauf nehmen. Dafür weiß ich – wenn ich am Ziel angekommen bin, dann werde ich es nie wieder verlieren!

Aus einer negativ besetzen Erfahrung etwas Positives herauskitzeln und verstärken - das ist für mich wahres Horsemanship.

Aus einer negativ besetzen Erfahrung etwas Positives herauskitzeln und verstärken – das ist für mich wahres Horsemanship.

Hier klicken um zu teilen...
Share on Facebook
Facebook
Tweet about this on Twitter
Twitter
Email to someone
email
Print this page
Print

3 Kommentare

  1. Annäherung und Rückzug, auf gute Art gemacht und beschrieben.

  2. Wieder mal absolut schön zu Papier gebracht =)
    Genau so versuche ich auch mit Druck umzugehen, denn ganz ohne wäre sehr sehr schwierig. Und wie du schon sagst, Druck muss nicht immer schlimm sein =)
    Ich finde es zwar oft nicht leicht, nicht dem Drang nachzugeben, stärkeren Druck zu machen, wenn etwas funktioniert. Da muss man sich selbst schon sehr im Griff haben und geduldig bleiben. Aber es klappt immer besser und besser. Mein Pferdchen hilft mir da auch sehr dabei, weil sie echt deutlich zeigen kann wenn ich iwie unfair, zu hektisch werde oder zu viel Druck mache.
    Es ist wie es fast immer ist: die Pferde sind doch immer noch die allerbesten Lehrer. WENN man ihnen zuhört =)

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

© 2024 Alessa Neuner

Theme von Anders NorenNach oben ↑

banner